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E-ID Abstimmung

Für eine staatlich geprüfte digitale Identifizierung

Am 7. März stimmen die Schweizer Stimmberechtigten über die E-ID ab. Das neue Gesetz regelt die digitale Identifizierung und bildet den Nukleus jeder sinnvollen digitalen Strategie. Sollte die Vorlage abgelehnt werden, drohen ein Flickwerk und die Abhängigkeit von ausländischen Tech-Grosskonzernen.

Renato Gunc

Mit dem E-ID-Gesetz werden die rechtlichen Grundlagen für eine staatlich anerkannte elektronische Identität geschaffen. Diese E-ID wird dazu dienen, sich im Internet gegenüber Behörden, Banken und privaten Anbietern sicher zu identifizieren, und zwar auch ausserhalb der Öffnungszeiten. Hingegen kann sie nicht als Personalausweis oder Reisepass benutzt werden. Sich für eine E-ID anzumelden ist freiwillig. Wer sie will, kann sie bei einer staatlich anerkannten und kontrollierten Anbieterin bestellen. Laut Gesetz können dies Privatunternehmen, Kantone und Gemeinden sein.


Die Einrichtung der E-ID ist überfällig, denn immer mehr Menschen, Behörden, Verbände und Unternehmen bewegen sich online und brauchen eine zweifelsfreie Identifikation im Internet. Bundesrat und Parlament stehen klar hinter dem E-ID-Gesetz; auch Kantone und Wirtschaft unterstützen es. Die Kreise, die das Referendum dagegen ergriffen haben, behaupten jedoch, die Vorlage biete viele Möglichkeiten für Datenmissbrauch.


In Tat und Wahrheit wird mit einer staatlich anerkannten und geprüften E-ID vieles im Internet einfacher und sicherer: Kein Tohuwabohu mit unzähligen Logins und Passwörtern, bessere Kontrolle der eigenen Daten, mehr Transparenz und Schutz vor Identitätsbetrügern; Unabhängigkeit von Öffnungszeiten; weniger Schlange stehen am Schalter und weniger Papier. Von einer staatlich anerkannten und geprüften Schweizer E-ID profitieren alle: Einzelpersonen, Behörden, Unternehmen und Verbände.
Auch die Schweiz transformiert sich rasch in eine Gesellschaft, in der das Wissen, seine digitale Aufbereitung und Aufbewahrung zur zentralen wirtschaftlichen und sozialen Basis werden. Doch wenn dieses Wissen gespeichert und oder publiziert ist, kontrollieren vier US-amerikanischen und ein chinesischer Anbieter unseren Zugang dazu. Denn unser Wissen ist in den Clouds globaler Player abgelegt; Zugang erhalten wir über Logins und Identifikationsmittel, die diese Anbieter zur Verfügung stellen. Sie kontrollieren
also unser Wissen und unsere Identität; zudem beobachten sie unser Verhalten im Netz und unsere Bewegungen. Sie unterstehen aber weder Schweizer Regeln noch Schweizer Kontrolle.


Obwohl wir nicht in der Lage sind, eine eigene Infrastruktur aufzubauen, kann uns eine geprüfte, staatliche Identifizierung zumindest eine gewisse Autonomie verschaffen: Zwar müssen wir die Infrastruktur der Grossen nutzen, aber wenigstens findet der Zugang nur über unsere geprüften E-IDs. So sind Sicherheit, Autonomie und Neutralität gewährleistet.


Die EU schafft momentan die Rahmenbedingungen für eine interoperable EU E-ID. Mit ihr wird sich jeder EU-Bürger in jedem EU-Land mit derselben E-ID für staatliche oder anderweitige Service identifizieren können. Unsere E-ID wird mit jenen der EU interoperabel sein, auch dank der Bilateralen Verträge, welche die technischen Handelshemmnisse regeln.


Für die rund 17% der Bevölkerung unseres Landes, die aus EU-Ländern (und der EFTA) stammen, werden die mühsamen Behördengänge in ihren Heimatländern obsolet. Umgekehrt können auch die Auslandschweizerinnen und -schweizer die notwendigen Behördengänge vom Ausland aus erledigen. Sollte die Corona-Pandemie zu einem Dauerthema werden und die physische Präsenz weiterhin stark einschränken, wird die geprüfte E-ID ein wichtiges Mittel für grenzüberschreitende Dienstleistungen.


E-Government ist das Gebot der Stunde
Und schliesslich hat uns die Pandemie erneut die Dringlichkeit des Themas E-Government aufgezeigt: Vor allem ältere Leute können nötige Behördengänge wegen der Isolation nicht mehr machen. E-Government ist das Gebot der Stunde, um den Umgang mit Behörden signifikant zu erleichtern, den Zugang zu deren Diensten rund um die Uhr zu ermöglichen sowie den Aufwand und die Antwortzeiten für die Verarbeitung bürokratischer Vorgänge zu verringern. Die Schweiz hat sich mit der Unterzeichnung der sogenannten Deklaration von Tallinn zur Digitalisierung verpflichtet, und zwar schon bis 2022. Das ist ehrgeizig, denn trotz digitaler Strategie des Bundes hinkt die Schweiz anderen Ländern hintennach.


Sollten die Stimmberechtigten die Gesetzesvorlage ablehnen, hätte das viele weitere Jahre ohne staatlich anerkannte und geprüfte Schweizer Lösung zur Folge; die digitale Strategie des Bundes würde um Jahre zurückgeworfen. Zudem wäre das Chaos programmiert: Um Bürgerinnen und Bürgern bzw.


Kundinnen und Kunden ihre digitalen Dienstleistungen anbieten zu können, würden Kantone und Firmen eigene E-IDs bauen oder fremde übernehmen, die nicht staatlich geprüft und selbstverständlich auch nicht interoperabel wären. Dafür würden wir wohl endgültig von den Lösungen ausländischer Tech-Konzerne abhängig.


Renato Gunc
Renato Gunc, dipl. Telematiker und dipl. Europa- und Wirtschaftsrechtler befasst sich seit Jahren mit dem Aufbau einer schweizweiten digitalen Identität. Gunc ist GL-Mitglied der PEAX AG und präsidiert eGov Schweiz, einen Verein für Innovationen im E-Government.